ADVAITA YOGA: Schlüssel zur Freiheit (Gastartikel)

von | 2. Sep 2022

Ein Gastartikel von: Karma Jigme Dorje (Holger Biallas), Jahrgang 1964. Er ist seit 1996 Yogalehrer BDY/EYU und lebte in Indien, Australien und auf Hawai´i, wo er unterrichtete und sich fortbildete. Fasziniert von den Parallelen zwischen tantrischen – wie Hatha Yoga – und schamanischen Traditionen, liess er sich auch in Letzteren ausbilden. Heute lebt Dorje auf den Philippinen, wo ich sein faszinierendes Wesen persönlich kennenlernen durfte.

ADVAITA YOGA: Das Unnennbare erfahrbar machen

Achtsamkeit, Atem, geistige Ausrichtung im Einklang mit unserer Körperlichkeit – dies ist der rote Faden unserer Yoga-Praxis. Balance – sthira sukha, wie es Patanjali so treffend ausdrückte. Der Unterschied zwischen Polarität, dem Gesetz der Schöpfungsdynamik und der Dualität, ist genau dieses dritte Element: die Balance – heilende Brücke zwischen den Gegensätzen.

Ohne sie befinden wir uns im Zwiespalt. Erlangen wir solches Equilibrium, sind wir bei eben jener Kraft, welche uns sogar über das Prinzip Polarität hinaustragen kann – der Mitte, dem ungeteilten Zentrum unseres Seins – advaita. Das Sanskrit Wort bedeutet Nicht-Zweiheit. Advaita vedanta, also die allumfängliche Kenntnis dessen, gilt vielen Suchenden als ultimatives Konzept, als Essenz philosophisch-spiritueller Annäherung an die eine, nicht teilbare Wahrheit unserer wahren Identität.

Brahman, das reine Potential der Schöpfung, wird hier als wesensgleich anerkannt mit Atman, also dessen individuellem Ausdruck – uns selbst. Wie aber können wir diese Abstraktion für uns konkret machen? Wie können wir es übergreifend als richtungsweisend etablieren in unserem Üben, unserem Unterrichten – völlig unabhängig von der Tradition, in der wir stehen oder dem Stil, welchen wir für uns als passend erkannt haben? Diese Frage habe ich mir lange gestellt. Dahinter stand der Wunsch, die Verbindung in unsere Geistigkeit mit spielerischerer Leichtigkeit in unser Wirken einfließen zu lassen – nicht nur auf der Yogamatte, sondern gleichfalls im Alltag, der solch einen großen Teil unserer Aufmerksamkeit beansprucht. Wie kann ich bereichern, ohne zu überstülpen? Wie kann ich fokussieren, ohne zu reduzieren? Wie kann ich jene Leichtigkeit erlangen, ohne in Belanglosigkeit abzugleiten?

Die Aufgabe erschien unlösbar. In der Tradition des Hatha Yoga ist oftmals eine Verwässerung zu beobachten, wenn wir ihre Integrität zugunsten eines interdisziplinären Ansatzes aufgeben. Die Tradition schützt sich selbst dadurch, aber birgt auch die Gefahr, Blumen am Wegesrand nicht wahrzunehmen. Und ja, es gibt diese Blumen auf dem traditionellen Weg. Sie schmücken und vervollkommnen ihn. Sie sind authentisch und nicht künstlich, weshalb sie nicht konstruiert werden können, sondern empfangen werden. Genauso ist es mir geschehen mit dem Konzept des ADVAITA YOGA.

Da stand ich nun, an jenem besonderen Ort auf der wundervollen Insel Bali. Das Lernen und Unterrichten als erkannte und gelebte Berufung der letzten 30 Jahre in mir tragend – viele Erkenntnisse aus dem Yoga, sowie den schamanischen Traditionen dieser Erde als Begleiter auf meinem Weg – und doch von dem brennenden Wunsch beseelt, dies alles loslassen zu können, um es neu für mich zusammenzufügen. Es war so viel in mir, dass sich ein Sehnen nach Einfachheit nicht mehr verleugnen ließ. In dieser Einfachheit sollte jedoch die Summe aller Erkenntnis liegen, denn nach meinem Gefühl war noch mehr Komplexität keine Option für mein Leben und Wirken.

Während ich vor dem Eingang eines der ältesten Shiva Tempel – Goa Gaja – auf den Impuls zum Eintritt horchte, war mir noch gar nicht voll bewusst, wie sehr dies alles in mir brannte. Ich kannte diesen Ort von einem früheren Besuch und wusste, dass er ein Geheimnis in sich trägt. Hierhin war ich nun zum zweiten Mal geführt worden, um etwas zu tun, von dem ich nicht wusste, was es sei. Mit meinen Gaben und Räucherwerk in der Hand betrat ich das Heiligtum. Ich hatte gefastet, meditiert und das Mantra om namah shivaya kreiste in meinem Geist, durch mein Herz und ganzes Sein. Ich hatte eben jene Kraft wieder in mir zum Leben erweckt, welche mich vor über drei Jahrzehnten auf langer Indienreise so nachhaltig und gewaltig berührt hatte. Damit meine ich nicht Shiva als zerstörerische Kraft im Rahmen der Trimurti, neben Brahma und Vishnu, sondern als die einzige Emanation des reinen Potentials von Brahman, welche somit Urgrund aller Schöpfung ist: Lord Shiva als MAHADEV.

Ich begab mich zu den verschiedenen Schreinen, um meine Gaben darzubringen. Eine tiefe Ruhe begann sich in mir zu entfalten und ich schritt langsam zum letzten Schrein, welcher mein Ziel war. An dessen Seite, so wusste ich von einer früheren Erfahrung, gab es eine klar definierte Stelle, welche nicht vollständig in der dreidimensionalen Realität verankert war. Eine dimensionale Brücke, die dem Zentrum des großen Herzens-Vortex der Insel so nahe war, dass absolut alles geschehen konnte.

Bei meinem ersten Besuch war mir der Schweiß tatsächlich von der Stirn an die Wand gespritzt und das Wasser lief in Bächen an meinem Körper hinunter, fast als stünde ich unter einer Dusche. Meine innere Stimme mahnte mich damals, dass zwölf Minuten das absolute Maximum sei, bevor mein physischer Körper sich von mir verabschieden würde. Ich hatte keinen Grund, dies anzuzweifeln – wusste ich doch um das atemberaubende Tempo, mit dem er dort dehydrierte. Dies erinnernd, rief ich mich also zu einer erhöhten Achtsamkeit in meinem Tun auf und begab mich an eben jene Stelle, welche geradezu jenseits der Zeit liegt, an der zeitliche Begrenzung jedoch ein essentieller Faktor für das Fortführen der Inkarnation ist.

Ich brachte meinen Körper in seinen Schwerpunkt, tadasana einnehmend und schaute ihm zu, wie er leicht vor und zurück schwang. Augenblicklich begann der Schweiß aus allen Poren zu strömen und die Heftigkeit dieser Reaktion brachte mich zuerst völlig aus dem Konzept. Ich nahm wahr, wie viele Menschen sich in diesem Tempel auf engstem Raum befanden und gleichfalls die Tatsache, dass anscheinend niemand dem in Stille begegnete, sondern der gesamte Ort von der Kakophonie Ihrer Unterhaltungen erfüllt war. „Ich wünschte, ich sei hier für ein paar Minuten ganz alleine“, flehte meine innere Stimme. Da dem aber nicht so war, sammelte ich mich und stimmte mich erneut auf mein inneres Gewahrsein ein. Nach kurzer Zeit meldete sich meine innere Stimme wieder und sprach: öffne die Augen und schau Dich um. So tat ich und es befand sich kein einziger Mensch mehr in dem Tempel.

Dies war höchst erstaunlich, zumal ich es für unmöglich hielt, dass gefühlte einhundert Individuen wie auf ein unhörbares Kommando das Gewölbe verlassen hatten. Solcherlei Gedanken kamen allerdings erst später und in jenem Moment gab ich mich einfach der Freude darüber hin und begann mit dem Ort zu schwingen. Ich erlebte eine starke Bewegung aus mir hinaus und befand mich im nächsten Moment über der Erde schwebend, sah das gesamte, strahlendblaue Juwel in seiner unbeschreiblichen Pracht unter mir. Da war nur Freude und Staunen – nur der Moment, von dem ich im goetheschen Sinne wünschte, dass er nie vergehe. Und alsbald kam die Mahnung, in meinen Körper zurück zu kehren, weil dies sonst nicht mehr möglich sei.

Ich glaube, keine Entscheidung fiel mir jemals schwerer und es war mir bewusst, dass ich sie augenblicklich und vollumfänglich zu treffen hatte. Es gelang und ich befand mich wieder in dem Tempel, so nass, als sei ich gerade samt Kleidung aus der Badewanne gestiegen. Ich taumelte fast zum Ausgang und setzte mich draußen erst einmal hin, um mich wieder in den Griff zu bekommen.

Nach dem ersten Liter Wasser, den ich in einem Zug geleert hatte, meldete sich meine innere Stimme wieder und sagte: schau doch, welches Geschenk Du bekommen hast. Mir war bis dahin überhaupt nicht präsent gewesen, etwas bekommen zu haben, zusätzlich zu einer atemberaubenden außerkörperlichen Erfahrung. Es lässt sich auch kaum in Worte fassen, aber es war ungefähr so, als wenn Dich ein guter Freund fragt, ob Du ein bestimmtes Buch gelesen hast. Du bejahst und das Buch kommt in seiner Gesamtheit in Deine Erinnerung, weil Du es tatsächlich gelesen hast. In meinem Falle ging es allerdings um ein Buch, das mir zwar quasi vollumfänglich bekannt war, aber erst noch geschrieben werden durfte – und zwar von mir. Ich war völlig baff. Die ersten Notizen dazu sollte ich erst abends im Hotelzimmer beginnen. Jetzt war es aber wichtig, weiter zu trinken, die Kleidung zu wechseln und eine Kleinigkeit zu essen.

Der starke Impuls welcher mir dabei kam war, dass anahata chakra, also unser Herzzentrum, polarisiert ist und uns zur Erfahrung persönlicher Liebe während der Inkarnation hinleiten kann. Einige fingerbreit darunter befindet sich der Resonanzpunkt für das nicht-polarisierte, spirituelle Herz der allumfassenden Liebe – advaita bindu, der Einheitspunkt. Er ist der direkte Zugang zum nicht-polarisierten HerzChakra – anahata advaita. In dessen Zentrum befindet sich eine Singularität – mani bindu – die Quelle allen Seins, Brahman, welches gleich Atman ist. Von ihm ist auch in dem bekannten buddhistischen Mantra om mani padme hum die Rede, welches es als „Juwel in der Lotosblüte“ umschreibt. Mir wurde gezeigt, wie man advaita bindu genau lokalisiert und ich wurde angewiesen, durch ihn zu atmen. Dies ist die erste von drei Grundübungen im ADVAITA YOGA und nennt sich advaita vyana.

Als nächstes wurde ich erinnert an die lange zurück liegende Abschlussarbeit im Rahmen meiner BDY-Ausbildung. Dort hatte ich von Erfahrungen mit einem bestimmten Punkt am Gaumen berichtet, die ich gemacht hatte, wenn meine Zunge an diesem verweilte. Dabei hatte dies weder mit manduki mudra, noch mit khechari mudra zu tun, sondern lag an einem klar definierten Ort dazwischen. Ich bezeichnete dies damals als einen spirituellen Türöffner und bekam einen anerkennenden Kommentar dafür von einer der Prüfenden, die ich bis heute sehr schätze. So war mir also die Erinnerung sofort präsent, auch wenn ich dem in den letzten Jahrzehnten gar nicht weiter nachgegangen war. Ich lokalisierte die Stelle erneut und sie wurde mir als moksha bindu benannt – Befreiungspunkt. Gleichzeitig kam eine Flut an Informationen über Torusfelder, die hiermit resonieren. Die beschriebene Position der Zunge heißt im ADVAITA YOGA moksha mudra – Siegel der Befreiung – und ist die zweite Grundübung. Beide Übungen, die bisher genannt wurden, werden simultan ausgeführt.

Dann kam etwas, dass mich überraschte. Ich wurde angewiesen, in der Atempause gleichzeitig den Beckenboden zu kontrahieren, also mula bandha auszuführen und ebenso die Augenbrauen ganz hoch zu ziehen in einer quasi Kontraktion der hinteren Fontanelle. Meine Konzentration sollte dabei auf beiden Punkten gleichzeitig sein, also ganz anders als in dem einspitzigen Fokus, den wir im Yoga ekagrata nennen und welcher grundlegend für die Meditationspraxis ist. Dem Atemimpuls folgend sollte ich mich bewusst auf advaita bindu konzentrieren und die gesamte Zeit über moksha mudra ausführen. Die Übung heißt im ADVAITA YOGA sushumna kahi – leuchtende Achse – und ist die dritte und letzte der Grundübungen. Sie kann sowohl in der Atempause nach Ausatmung, als auch in jener nach der Einatmung ausgeführt werden – mit unterschiedlichen Effekten.

Die gleichzeitige Konzentration auf zwei Punkte war mir einzig aus dem hawai´ianischen Schamanismus bekannt, wo sie benutzt wird zum vollständigen Energieausgleich zwischen zwei Punkten und der Aktivierung von Selbstheilungskräften dient. Dies nennt sich Kahi – und da wir hier die beiden Pole der sushumna nadi ansprechen eben die Bezeichnung sushumna kahi. Die Simultankonzentration auf zwei Punkte nennt sich im ADVAITA YOGA anandharana – glückseliger Fokus – ein kleines Sanskrit-Wortspiel.

Man darf sich nicht etwa denken, dies sei alles schön geordnet und nacheinander in meinen Geist gekommen – beileibe nicht. Es kam alles auf einmal und ich durfte für mein inkarniertes Bewusstsein zunächst die Essenz ordnen und formulieren. Mir bot sich ein reiches Paradigma, welches bis dato noch nicht in eine syntagmatische Form gebracht worden war. Letztlich erforderte dies eine Genauigkeit, die mich nach der Bali-Reise einige Monate vereinnahmte. Weiterführende Übungen drängten außerdem schon darauf, ebenfalls in eine Gestalt gebracht zu werden, welche sich vermitteln ließ. Die Aussage meiner inneren Stimme lautete allerdings unmissverständlich, dass ich nicht mehr als 88 Seiten schreiben solle. Ich empfand dies fast als Damoklesschwert, aber dem wurde mit einem Lachen begegnet, welches aussagte, ich möge mich bitte einfach auf das Wesentliche beschränken. Zum Glück habe ich einen sehr guten Freund mit äußerst strukturiertem Intellekt, welcher das Lektorat übernahm. Jegliche Glossen blieben dabei gnadenlos auf der Strecke und ohne ihn hätte ich mich in dem Prozess nur allzu leicht verlieren können. So erinnert das Buch auch eher an die Sutra-Form, denn an ausführliche Lektüre. Dabei durfte dies natürlich nicht auf Kosten der Verständlichkeit gehen und ich hoffe von Herzen, dass es gelungen ist.

Zwei der drei Grundübungen sind so einfach, dass sie jede Yogapraxis begleiten können – und natürlich auch unseren Alltag. Für die dritte Übung – sushumna kahi – gilt das ebenfalls, obwohl sie etwas komplexer ist. Einmal verinnerlicht, stellt sie nicht wirklich eine Herausforderung dar und kann mit der gleichen Leichtigkeit ausgeführt werden. In weiterführenden Übungen spielt eine Handhaltung die zentrale Rolle, welche advaita mudra genannt wird – Siegel der Einheit. Es verstärkt die Grundübungen und stimuliert bestimmte Resonanzpunkte, hauptsächlich advaita bindu. Advaita mudra kann darüber hinaus in bestimmten Bewegungsvarianten mit dem Atem verbunden werden, also als karana.

Im Folgenden werden weitere Mudra vorgestellt, die die Praxis des ADVAITA YOGA bereichern und begleiten können. Sie sind allerdings kein Muss, da die Effektivität und Schlüssigkeit der Basisübungen für sich selbst steht.nnIch wurde angewiesen, die Übungen mit Sanskrit Begriffen zu belegen, weil hierdurch eine ganzheitliche Informationsebene angesprochen wird, die mit dem kollektiven Menschheits-Gedächtnis resoniert. Das Sanskrit ist eine magische Sprache, in der weniger Arbitrarität zwischen dem Klangbild und dessen Bedeutung besteht, als in moderneren Sprachen. Advaita bezeichnet Nicht-Zweiheit. Zuerst wunderte ich mich darüber, da wir aus der Affirmationspraxis ableiten können, dass die Schöpfung selbst Verneinungen nicht versteht. Wir, als inkarnierte Wesen erfahren das Gefühl der Entzweiung allerdings in vielerlei Hinsicht, womit das Wort uns dort abholt, wo wir mitunter stehen, nämlich: in vermeintlicher Polarität, wenn nicht gar Dualität. Somit ist dem Begriff eine Dynamik immanent, die von erlebter Zweiheit zu erlebter Einheit führt.

Dies spiegelt sich in der Praxis des ADVAITA YOGA wider. Wir wechseln von anandharana zu ekagrata. Wir verlagern im sushumna kahi die polarisierten Energien von ida und pingala nadi zu einem Großteil in die sushumna nadi und das zweigeteilte Torusfeld unseres Energiekörpers findet in advaita vyana zurück in seine ursprüngliche Einheit, den Unitorus. Moksha mudra öffnet die Pforte zu höherdimensionaler Wahrnehmung – ajna chakra, dessen physische Entsprechung die Zirbeldrüse ist, unser „drittes Auge“. Dies ist kein rezeptiver Akt, sondern ein kreativer, manifestierender. Damit ändert sich die Qualität dessen, was wir als Schöpferwesen erschaffen – ganz spielerisch und wie nebenbei.

Empfehlung: In dem Taschenbuch ADVAITA YOGA findest einfache Techniken, die bequem und nebenbei, also im Alltag, geübt werden können. Sie sind ein Geschenk aus der geistigen Welt und im Prinzip wie ein Generalschlüssel für Wahrnehmung und Schöpfung ausserhalb der Matrix. Mehr darüber erfahren …

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