Verlockung oder Falle? Der iPhone-Moment der Stablecoins kommt – und mit ihm die stille Übernahme unserer Finanzwelt

von | 21. Juni 2025

Manchmal beginnt eine neue Ära nicht mit einem Knall, sondern mit einem Satz auf einer Social-Media-Plattform. Jeremy Allaire, CEO von Circle – einem der größten Stablecoin-Anbieter weltweit – schrieb kürzlich:

„Wir sind noch nicht ganz am iPhone-Moment angekommen, in dem Entwickler überall die Macht und die Möglichkeiten programmierbarer digitaler Dollar im Internet erkennen, so wie sie damals das Potenzial programmierbarer mobiler Geräte erkannten. Bald.“

Diese Worte sind nicht zufällig gewählt. Der Vergleich mit dem iPhone steht symbolisch für einen Wendepunkt – für den Moment, in dem ein Werkzeug zur Plattform wird, zur Lebensgrundlage für Entwickler, Unternehmen und ganze Ökosysteme. Wenn also Stablecoins, digitale Währungen, die meist an den US-Dollar gekoppelt sind, bald diesen Status erreichen, dann bedeutet das mehr als nur technologische Reife. Es bedeutet einen neuen Zugriff auf das, was wir Geld nennen.

Und es bedeutet: Die Finanzwelt verändert sich, nicht irgendwo am Rand, sondern mitten in unserem Alltag.

Circle ist dabei nicht allein. Auch Amazon und Walmart – zwei der größten Einzelhandelskonzerne der Welt – denken laut über eigene Stablecoins nach. Shopify hat begonnen Circle’s Stablecoin USDC in seine Zahlungsinfrastruktur zu integrieren. Das ist keine Spielerei mehr. Das ist ein strategischer Zug, mit dem sich Unternehmen nicht nur Kundenbindung sichern wollen, sondern auch Zugriff auf Transaktionsdaten, Kundenverhalten und Zahlungsströme.

Daten, die nicht einfach nur gespeichert werden. Sondern – und das ist das Entscheidende – korreliert werden können. Mit Einkaufsverhalten, mit Bewegungsprofilen, mit Kommunikationsmustern. Das wird möglich, weil viele dieser Stablecoins auf Blockchains basieren, also transparent einsehbar sind – für jeden mit ein wenig technischem Wissen. Was wie ein Vorteil klingt – Offenheit, Nachvollziehbarkeit – ist zugleich die Einladung zur totalen Analyse. Und damit zur Kontrolle.

„Die nützlichste Form von Geld, die je erschaffen wurde“, nennt Allaire Stablecoins.

Aus Sicht von Konzernen stimmt das sicher: programmierbar, nachvollziehbar, günstig in der Abwicklung, blitzschnell. Doch genau das macht sie auch anfällig. Nicht nur für Hacks – die gab es bereits zuhauf – sondern für ein sehr viel subtileres Risiko: dass wir durch den Einsatz von Stablecoins in einem neuen System landen, das nicht mehr von Staaten, sondern von Unternehmen reguliert wird. Oder von beidem gemeinsam.

Schon jetzt übersteigen Stablecoin-Transaktionen das Volumen von PayPal um das 20-Fache, und selbst Visa liegt mit seinen Transaktionen im Vergleich weit zurück.

„Stablecoins haben in den letzten zwölf Monaten ein Transaktionsvolumen von 33 Billionen Dollar erreicht“, schreibt Daren Matsuoka von a16z Crypto. Er glaubt, Stablecoins seien „die erste glaubhafte Möglichkeit, eine Milliarde Menschen in den Kryptobereich zu bringen.“

Das klingt nach Aufbruch – nach einer Art digitaler Befreiung. Jeder soll mitmachen können. Jeder kann sein eigenes „Fintech“ aufbauen, mit minimalen Kosten.

„Stablecoins sind besser, weil sie den Wettbewerb fördern.“, sagte Sam Broner, Partner bei a16z Crypto. „Mehr Wettbewerb = bessere Preise, bessere Erfahrungen, mehr Zugang.“

Doch Wettbewerb ist nur die eine Seite. Die andere ist Machtkonzentration. Die Infrastruktur gehört nicht mehr dem öffentlichen Raum, geschweige dezentral allen, sondern Konzernen, meist mit super-Reichen an der Spitze. Und genau das verändert das Kräfteverhältnis – und zwar tiefgreifend.

Was bedeutet das konkret für uns?

Wenn wir einen Stablecoin nutzen – sei es über Shopify oder Amazon –, dann schicken wir nicht nur Geld. Wir übermitteln auch Daten. Und zwar in einem Maß, das vorher nur schwer möglich war. Denn anders als Bargeld oder anonyme Transaktionen können Stablecoin-Zahlungen jederzeit rekonstruiert, analysiert und im Zweifel auch gesperrt werden. Das muss nicht heute passieren. Aber wer weiß, wie das in der Zukunft aussieht.

Wir werden mit dem Versprechen gelockt: Alles ist einfacher, schneller, günstiger. Und das stimmt. Nur: Gleichzeitig geben wir damit mehr von unserer Freiheit ab. Ohne Vertrag, ohne Warnung. Es fühlt sich an wie Fortschritt – vielleicht sogar wie Freiheit – und ist doch in anderer Weise der Beginn einer neuen Abhängigkeit.

Denn wenn Geld programmierbar wird, wird auch Kontrolle programmierbar.

Und Geschichte lehrt: Wenn die technischen Mittel da sind, werden sie auch genutzt – ob von Staaten oder Konzernen. Und in einer Welt, in der Daten zum wichtigsten Rohstoff geworden sind, ist es naiv zu glauben, dass ausgerechnet finanzielle Daten verschont werden würden.

Vielleicht ist es an der Zeit, uns zu fragen: Wollen wir wirklich, dass Geld nicht nur digital wird – sondern auch berechenbar? Wollen wir, dass jede Bewegung unseres Geldes zugleich eine Bewegung unserer Daten ist?

Es ist nicht alles schlecht an Stablecoins. Sie können uns helfen, schneller zu bezahlen, weltweit zu handeln, neue Geschäftsmodelle zu entdecken. Doch die Entscheidung, sie zu nutzen, sollte bewusst geschehen. Und nicht nur durch Bequemlichkeit getrieben.

Quelle: Cointelegraph

Empfehlungen:

Telegram Logo „Bye Bye Staat & Hallo Freiheit“
Abonniere jetzt LegitimCrypto auf Telegram!

Legitim-Newsletter

 

Abonniere den Newsletter,


um die wichtigsten Updates per E-Mail zu erhalten!

Du hast dich erfolgreich angemeldet - danke!