Wie weiß das Internet, dass du wirklich DU bist?

von | 12. Aug 2023

Bereits in drei Artikeln beschäftigten wir uns mit WorldCoin und seinen ‚Orbs‘, mit denen über Iris-Scans festgestellt werden soll, dass es sich später im Cyberspace um einen echten Menschen handelt und nicht um eine KI. Es hagelt viel Kritik an diesem Vorgehen, aus verschiedensten Gründen.

Gleichzeitig zeigt es uns eine Fragestellung auf, die immer wichtiger werden wird, um so weiter sich die KIs entwickeln: Wie kann man im Internet sicher sein, dass es sich um einen Menschen und keine KI handelt? Das Internet steht dabei für das ganze Spektrum der ‚digitalen Welt‘.

Vitalik Buterin, der Gründer von Ethereum hat sich in einem langen Papier zu den Schwierigkeiten, die mit dieser Frage einhergehen und den Schwachstellen bei WorldCoin geäußert.

Dieses Papier dient uns als gute Grundlage, um verschiedene Ansätze zur Lösung des Problems zu beleuchten. Da es sehr lang ist und mit allerhand Fachbegriffen und Links versehen ist, werden wir dem Thema eine ganze Artikelserie widmen. Schrittweise übersetzen wir das Papier und gehen dann in separaten Artikeln auf die verschiedenen verlinkten Dokumente und Artikel ein.

Heute beginnen wir mit der Übersetzung der Einführung von Buterins Papier:

24. Juli 2023

Was denke ich über den biometrischen Nachweis von Personhood?

Besonderer Dank an das Worldcoin-Team, die Proof of Humanity-Community und Andrew Miller für die Diskussion.

Eine der kniffligeren, aber möglicherweise auch wertvollsten, Technologien, die die Menschen in der Ethereum-Community zu entwickeln versucht haben, ist eine dezentralisierte Lösung für den Nachweis von Personhood. Der Nachweis von Personhood [Personenechtheit] [Artikel LegitimCrypto], auch bekannt als das „Einzel-Personen-Problem[Artikel LegitimCrypto I, Artikel LegitimCrypto II], ist eine begrenzte Form der realen Identität. Sie besagt, dass ein registriertes Konto von einer echten Person kontrolliert wird. Dabei sollte jede echte Person nur ein Konto steuern, ohne dass offenbart wird, wer diese Person genau ist.

Es gab einige Versuche, dieses Problem anzugehen: Proof of Humanity [Artikel von LegitimCrypto], BrightID [Artikel von LegitimCrpto], Idena [Artikel von LegitimCrypto] und Circles [Artikel von LegitimCrypto] sind Beispiele. Einige von ihnen haben ihre eigenen Anwendungen (oft ein UBI-Token [UBI: Meistens ‚Universal Basic Income‘ – ‚universelles Grundeinkommen‘. Bei Circles wird es als ‚Unconditional Basic Income‘ also ‚bedingungsloses Grundeinkommen‘ angegeben.]), und einige wurden im Gitcoin Passport [Artikel von LegitimCrypto] verwendet, um zu überprüfen, welche Konten für quadratisches Abstimmen gültig sind. Technologien der Null-Wissen-Beweise* [zero-knowledge], wie Sismo [Artikel von LegitimCrypto], fügen vielen dieser Lösungen Privatsphäre hinzu. Neuerdings haben wir den Aufstieg eines viel größeren und ambitionierteren Projekts zum Nachweis von Personhood erlebt: Worldcoin.

* Zero-Knowledge bezieht sich auf ein Konzept aus der Kryptographie, bei dem jemand beweisen kann, dass er ein bestimmtes Wissen besitzt, ohne dieses Wissen offenlegen zu müssen.
Stell dir vor, du hast ein Geheimnis in einem verschlossenen Koffer und möchtest jemandem beweisen, dass du den Schlüssel zu diesem Koffer besitzt, ohne den Koffer zu öffnen oder den Schlüssel zu zeigen.
Ein Zero-Knowledge-Beweis wäre in diesem Fall eine Methode, mit der du dem anderen zeigen kannst, dass du den Schlüssel hast (zum Beispiel, indem du den Koffer mehrmals öffnest und schließt, ohne dass die andere Person den Vorgang direkt sieht), ohne dass du den tatsächlichen Schlüssel oder den Inhalt des Koffers preisgibst.
In der digitalen Welt ermöglichen Zero-Knowledge-Beweise sichere Authentifizierungen und Transaktionen, ohne private oder sensible Daten preiszugeben. Es ist, als würde man beweisen, dass man das Passwort zu einem Account kennt, ohne das Passwort selbst zu verraten.

Worldcoin wurde von Sam Altman mitgegründet, der am besten dafür bekannt ist, CEO von OpenAI [zu den Produkten gehört auch ChatGPT] zu sein. Die Philosophie hinter dem Projekt ist einfach: KI wird eine Menge Überfluss und Reichtum für die Menschheit schaffen, aber sie könnte auch viele Arbeitsplätze vernichten und es fast unmöglich machen zu unterscheiden, wer überhaupt ein Mensch ist und wer ein Bot. Deshalb müssen wir dieses Problem angehen, indem wir erstens ein wirklich gutes System zur Bestätigung der menschlichen Identität schaffen, sodass Menschen beweisen können, dass sie tatsächlich Menschen sind, und zweitens jedem ein universelles Grundeinkommen geben. Das Einzigartige an Worldcoin ist, dass es auf hochentwickelten biometrischen Daten basiert und die Iris jedes Benutzers mit einem spezialisierten Gerät namens „the Orb“ scannt.

Das Ziel besteht darin, eine große Anzahl dieser „Orbs“ herzustellen, sie weltweit zu verteilen und sie an öffentlichen Orten aufzustellen, um es jedem zu ermöglichen, leicht eine ID zu erhalten. Zu Worldcoins Verdiensten gehört auch das Bekenntnis, mit der Zeit zu dezentralisieren. Anfangs bedeutet dies technische Dezentralisierung: Ein Layer 2 (L2) [zweite Ebene] auf Ethereum unter Verwendung des Optimism-Stacks* und Schutz der Privatsphäre der Benutzer mit ZK-SNARKs* und anderen kryptografischen Techniken. Später beinhaltet dies die Dezentralisierung der Governance des Systems selbst.

* Der Begriff „Optimism stack“ bezieht sich auf die spezifische Technologie und die Tools, die vom Optimism-Team entwickelt wurden, um „Optimistic Rollups“ zu implementieren.

Der Begriff „Optimistic Rollups“ bezieht sich auf eine Technologie im Bereich der Blockchain und insbesondere von Ethereum, die darauf abzielt, Skalierbarkeit und Geschwindigkeit von Transaktionen zu verbessern.
Um das zu verstehen, stelle dir eine viel befahrene Autobahn vor, auf der ständig Staus entstehen. Die Blockchain von Ethereum kann in ihrer ursprünglichen Form nur eine begrenzte Anzahl von Transaktionen pro Sekunde verarbeiten, ähnlich wie eine Autobahn nur eine begrenzte Anzahl von Autos fassen kann.
„Optimistic Rollups“ sind wie zusätzliche Fahrspuren oder Expresswege, die neben der Hauptautobahn gebaut werden. Auf diesen „Expresswegen“ können viele Transaktionen schnell und gleichzeitig durchgeführt werden, ohne die Hauptautobahn zu belasten. Erst nach einer Weile werden die Ergebnisse dieser Transaktionen (also die Autos auf dem Expressweg) zurück auf die Hauptautobahn gebracht und mit dem Hauptverkehr integriert.
Das „optimistische“ an den Rollups ist, dass man zunächst davon ausgeht, dass alle Transaktionen korrekt sind. Erst wenn jemand einen Fehler meldet (also wenn jemand „Einspruch“ erhebt), wird überprüft, ob die Transaktion tatsächlich korrekt war. Wenn ein Fehler gefunden wird, wird er korrigiert.
Kurz gesagt: Optimistic Rollups sind eine Methode, um mehr Transaktionen in kürzerer Zeit auf Blockchains wie Ethereum zu ermöglichen, indem sie eine Art „Expressweg“ für Transaktionen schaffen und nur im Falle eines Problems eine Überprüfung durchführen.

„ZK-SNARK“ steht für „Zero-Knowledge Succinct Non-Interactive Argument of Knowledge“. Das klingt ziemlich kompliziert, also zerlegen wir es:

Zero-Knowledge: Wie zuvor besprochen, bedeutet das, dass man jemandem etwas beweisen kann, ohne ihm die tatsächlichen Informationen (oder das „Wissen“) zu zeigen.
Succinct: Das bedeutet, dass der Beweis sehr kurz und schnell zu überprüfen ist, selbst wenn die ursprüngliche Information oder das Problem sehr groß ist.
Non-Interactive: Das bedeutet, dass keine wiederholte Kommunikation zwischen demjenigen, der den Beweis erbringt, und demjenigen, der ihn überprüft, erforderlich ist. Es ist eine Einweg-Kommunikation.
Argument of Knowledge: Das ist ein technischer Begriff, der im Grunde besagt, dass man ein gültiges „Argument“ oder einen Beweis für ein bestimmtes Wissen hat.

Stelle dir vor, du befindest dich in einem riesigen Labyrinth und am Ende des Labyrinths ist ein spezieller Knopf, den nur jemand drücken kann, der wirklich durch das ganze Labyrinth gegangen ist. Du gehst durch das Labyrinth, drückst den Knopf und erhältst eine spezielle Lampe, die leuchtet.
Nun triffst du einen Freund außerhalb des Labyrinths. Anstatt ihn durch das ganze Labyrinth zu führen und jeden einzelnen Schritt zu zeigen, wie du es geschafft hast, zeigst du ihm einfach die leuchtende Lampe. Das Leuchten der Lampe ist ein Beweis dafür, dass du tatsächlich durch das Labyrinth gegangen bist und den Knopf am Ende gedrückt hast. Dein Freund weiß nicht, welchen genauen Weg du genommen hast, aber er weiß, dass du erfolgreich warst, nur durch das Sehen der Lampe.

Hierbei ist:
Das Labyrinth wie ein komplexes Problem oder eine Transaktion.
Der Knopf am Ende ist das „Wissen“ oder die Lösung des Problems.
Die leuchtende Lampe repräsentiert den „ZK-SNARK“, einen Beweis, dass du das Problem gelöst hast, ohne die Details zu zeigen.

Das Schöne an ZK-SNARKs ist, dass sie sehr schnell überprüft werden können. In unserer Analogie wäre es so, als ob jeder, der die leuchtende Lampe sieht, sofort weiß, dass du durch das Labyrinth gegangen bist, ohne selbst durch das ganze Labyrinth gehen zu müssen.

Worldcoin wurde wegen Datenschutz- und Sicherheitsbedenken rund um den Orb, Designproblemen bei seinem „Coin“ und ethischen Problemen hinsichtlich einiger Entscheidungen, die das Unternehmen getroffen hat, kritisiert. Einige der Kritikpunkte sind sehr spezifisch und konzentrieren sich auf Entscheidungen, die im Rahmen des Projekts getroffen wurden und die auch anders hätten entschieden werden können – tatsächlich ist das Worldcoin-Projekt möglicherweise bereit, sie zu ändern. Andere wiederum stellen die grundsätzlichere Frage, ob Biometrie – nicht nur die Augenscan-Biometrie von Worldcoin, sondern auch die einfacheren Gesichtsvideo-Uploads und Verifizierungsspiele, die bei Proof of Humanity und Idena verwendet werden – überhaupt eine gute Idee ist. Und wieder andere kritisieren den Nachweis von Personhood generell. Zu den Risiken gehören unvermeidliche Datenschutzverletzungen, eine weitere Erosion der Fähigkeit der Menschen, das Internet anonym zu nutzen, Zwang durch autoritäre Regierungen und die mögliche Unmöglichkeit, gleichzeitig sicher und dezentralisiert zu sein.

Dieser Beitrag wird sich mit diesen Fragen beschäftigen und einige Argumente durchgehen, die dir helfen können zu entscheiden, ob es eine gute Idee ist, dich vor unseren neuen kugelförmigen Oberherren zu verbeugen und deine Augen (oder Gesicht, oder Stimme, oder…) scannen zu lassen, und ob die natürlichen Alternativen – entweder den sozialnetzwerkbasierten Nachweis von Personhood zu verwenden oder den Nachweis von Personhood komplett aufzugeben – überhaupt besser sind.

Fortsetzung folgt…

Quelle: vitalik.eth.limo

Alle Artikel der Reihe „Wie weiß das Internet, dass du wirklich DU bist?“ findest du hier.

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