Zwischen Freiheit und Regulierung: Wird MiCA Georgiens Krypto-Zukunft ausbremsen?

von | 25. Mai 2025

Georgien – ein kleines Land im Südkaukasus, etwa so groß wie Bayern – ist für viele, die sich international aufstellen, längst kein Geheimtipp mehr. Wer nach Freiheit, Flexibilität und günstigen Rahmenbedingungen sucht, hat das Land mit seiner Hauptstadt Tiflis vermutlich schon auf dem Radar.

Auch bürokratisch ist Georgien einladend: Staatsangehörige aus der EU, der Schweiz und vielen weiteren Ländern können sich bis zu einem Jahr ohne Visum im Land aufhalten – ein seltenes Privileg weltweit. Hinzu kommt ein vergleichsweise niedriges Steueraufkommen, insbesondere für digitale Nomaden und Unternehmer, sowie gute Möglichkeiten zur Kontoeröffnung bei lokalen Banken.

In diesem Beitrag widmen wir uns einem weiteren entscheidenden Aspekt: der Rolle von Kryptowährungen in Georgien. Denn das Land hat sich in den letzten Jahren zu einem aktiven Standort für Krypto-Start-ups, Mining-Projekte und Blockchain-Initiativen entwickelt – mit einer zunehmenden Akzeptanz von Bitcoin und Co. im alltäglichen Zahlungsverkehr. Allerdings richtet sich die Gesetzgebung nach der europäischen MiCA aus, wobei es bis heute keine neuen Vorschriften seit dem Erscheinen des folgenden Artikels zu geben scheint.

Krypto wird in Georgien für Zahlungen genutzt – nicht zum Reichwerden: Tiflis Krypto-Stadtführer

Aaron Wood – 12. September 2024

Die Stadt Tiflis in Georgien hat zahlreiche Krypto-Start-ups und Krypto-Geldautomaten und ist durchzogen von kleinen „Börsen“, die im Wesentlichen Geldwechsler mit einem Binance-Konto sind. Besucher aus dem benachbarten Russland nutzen Krypto häufig für Zahlungen, da ihre Bankkarten aufgrund von Sanktionen außerhalb Russlands nicht funktionieren. Die einfache Nutzung elektronischer Zahlungen in der Stadt stellt eine Konkurrenz für Krypto dar – ebenso wie der Plan der Regierung für eine digitale Lari-Zentralbankwährung [Lari $GEL = georgische Währung]. Dennoch akzeptieren mindestens 200 Unternehmen Kryptowährungen als Zahlungsmittel beim Einkauf.

  • Stadt: Tiflis
  • Land: Georgien
  • Einwohnerzahl: 1,2 Millionen
  • Gegründet: 445
  • Meistgesprochene Sprachen: Georgisch, Englisch, Russisch

Geschichte

Einer Legende nach wurde Tiflis gegründet, als der Falke von König Wachtang I. von Iberien während einer erfolglosen Jagd vom Himmel fiel und in einer schwefelhaltigen heißen Quelle verbrannte.

Die heißen Quellen und die strategische Lage beeindruckten den König so sehr, dass er den Wald roden ließ und an dieser Stelle eine große Stadt gründete.

Der Fluss Mtkwari fließt durch die Altstadt von Tiflis.


Erst im 12. Jahrhundert, etwa 600 Jahre nach der Gründung der Stadt, wurde sie unter König David IV., dem Erbauer, zur Hauptstadt eines geeinten georgischen Staates.

Tiflis und das Land Georgien haben seitdem eine lange, komplizierte Geschichte hinter sich. Die Stadt war Objekt von Rivalität und Besatzung durch die Römer, Seldschuken, Perser, muslimische Araber, das Russische Reich und die Sowjetunion.

Doch Tiflis war stets eine internationale Stadt. Gelegen an der historischen Seidenstraße, sah sie Reisende und Händler aus Europa, Zentralasien und darüber hinaus. Anfang des 19. Jahrhunderts ließen sich Deutsche im heutigen Stadtteil Marjanishvili auf der Ostseite des Mtkwari-Flusses nieder.

Heute wird die Stadt hauptsächlich von ethnischen Georgiern bewohnt, mit bedeutenden Expat-/Einwanderergemeinschaften aus Russland, Aserbaidschan, Armenien und der Ukraine. Auch Osseten, Assyrer, Abchasen und Griechen leben in Tiflis.

Es gibt eine kleine, aber florierende Gemeinschaft digitaler Nomaden, die von der unkomplizierten Visaregelung, niedrigen Steuersätzen und relativ niedrigen Lebenshaltungskosten des Landes angezogen werden.

Krypto-Kultur

In der Kryptowährungsbranche Georgiens dreht sich alles um Zahlungen. Die überwiegende Mehrheit der in Georgien genutzten Kryptowährungen dient nicht als Investition, sondern als Zahlungsmittel.

Ein besonders beliebtes Anwendungsgebiet sind Überweisungen, wobei USDC [USD Coin, Stablecoin] und USDT [Stablecoin] bevorzugt werden, die auf schnellen und günstigen Blockchains wie Tron und Solana basieren.

Giorgi Tushurashvili, Marketingchef und Partner der lokalen Kryptowährungsbörse Bitnet, sagt dem Magazin:

„USDC ist sehr beliebt für Überweisungen oder für Zahlungen, etwa beim Kauf von Wohnungen oder Ähnlichem, um Geld ins oder aus dem Land zu bringen.“

In Tiflis gibt es auch eine Reihe informeller Krypto-Treffen, die in verschiedenen Hostels, Bars und Cafés stattfinden – zum Austausch über Geschäftsstrategien, Handel oder einfach zum sozialen Kontakt.

Es gibt auch Kryptowährungskonferenzen und Hackathons mit Gästen und Hauptrednern aus aller Welt.

Marie Giorgobiani, Geschäftsführerin von Degamefi [Degamefi ist eine Konferenz mit Schwerpunkt auf GameFi und dezentralen Gaming-Ökosystemen], sagt dem Magazin, dass rund 50 % der Konferenzredner im letzten Jahr nicht aus Georgien stammten.

Die georgische Regierung hat einige Schritte unternommen, um die Kryptowährungsbranche zu unterstützen – von der Zusammenarbeit mit Unternehmen bei der Ausarbeitung von Gesetzen zu Kryptowährungen bis hin zur Vergabe von Fördermitteln an Blockchain- und Krypto-Firmen über die Georgian Innovation and Technology Agency GITA.

GITA, die dem Finanzministerium untersteht, vergibt Zuschüsse an Start-ups.

„Zweimal im Jahr gibt es einen Wettbewerb, für den man sich bewerben kann. Es geht um 150.000 Lari – also rund 50.000 bis 60.000 US-Dollar als Förderzuschuss ohne Rückzahlungspflicht. Das ist nicht schlecht.“, sagt Giorgobiani.

Doch die Aufsichtsbehörden sind noch nicht vollends überzeugt. Zwar gibt es Beispiele für Kooperationen, aber das mangelnde Verständnis unter Beamten stellt weiterhin ein Hindernis dar.

Giorgobiani sagt, GITA unterstütze das Start-up-Ökosystem. Eine andere von ihr mitgegründete Firma, Arena Games, habe nach mehreren Ablehnungen schließlich eine Förderung erhalten.

„Sie verstehen Blockchain nicht wirklich. Ich habe festgestellt, dass viele Blockchain-Projekte sich bewerben. Sie bekommen diese Zuschüsse meist nicht, aber sie bewerben sich.“

Die georgische Regierung hat auch Gesetze verabschiedet, die den Vorschriften der Europäischen Union zu Markets in Crypto-Assets [MiCA = Regulierung für Krypto-Vermögenswerte innerhalb der EU] sehr ähnlich sind – mit dem Versuch, Innovation zu fördern und zugleich Schutzmaßnahmen zu schaffen. Tushurashvili meint, sie hätten sich dabei zu sehr an MiCA orientiert.

„Wenn wir es irgendwie schaffen, ein Ökosystem aufzubauen, das nicht nur uns, sondern auch allen anderen Krypto-Unternehmen ermöglicht, von Georgien aus zu arbeiten, dann hätten wir eine tolle Branche und könnten ein Krypto-Hub in der Region werden, oder? Aber wenn wir uns zu sehr an europäische Standards halten, wird das Innovation hier erschweren.“

Projekte und Unternehmen

Eine Reihe lokaler Krypto- und Blockchain-Projekte sowie internationale Firmen sind in Tiflis und allgemein in Georgien aktiv.

Der Mining-Gigant Bitfury (ebenso wie mehrere Einzel-Miner) betreibt Mining-Aktivitäten in Georgien. Günstige Wasserkraft bietet einen starken Anreiz für Bitcoin-Miner.

Ripple [Ripple ist ein US-amerikanisches Unternehmen, das Zahlungsprotokolle und Softwarelösungen auf Blockchain-Basis entwickelt] wurde als offizieller Partner für das digitale Lari-Projekt der georgischen Zentralbank ausgewählt, während Binance im vergangenen Jahr ein Memorandum of Understanding mit GITA unterzeichnete, um Bildungsinitiativen im Bereich Blockchain und Kryptowährungen zu fördern. (Vgl. Binance)

ZuVillage Georgia – ein Ableger der zweimonatigen Zuzalu-Veranstaltung, die im Vorjahr von Ethereum-Mitgründer Vitalik Buterin organisiert wurde – endete Ende August. Ziel der Veranstaltung war es, „individuelle kognitive Souveränität“ zu fördern und „Grenztechnologien, geleitet von Cypherpunk- und d/acc-Philosophien“, zu entwickeln.

Lokale Firmen gibt es viele. Neben Degamefi, Bitnet und Arena Games gibt es den Krypto-Zahlungsabwickler CityPay und die Krypto-Börsen Cryptal, Bybit, Bitget und WhiteBIT.

Es existieren auch Lobby- und Medienorganisationen wie die Georgian National Blockchain Agency, deren Ziel es ist, „die Implementierung und Annahme von Blockchain in Georgien zu unterstützen“.

Crypto Bazari [eine georgische Medienfirma] hat eine eigene Sendung auf dem Fernsehsender Girchi TV und bietet Werbe-, Rechts-, Forschungs- und Bildungsdienste für die Blockchain-Branche in Georgien an.

Trotz all dieser Aktivitäten räumt Tushurashvili ein, dass Georgien noch kein „Skype-Moment“ wie Estland erlebt hat.

„Es ist ziemlich schwierig, Start-ups aus Georgien zu gewinnen. Ein qualitativ gutes Start-up mit gutem Produkt-Markt-Fit ist schwer zu finden.“, sagt Giorgobiani. Viele Start-ups konzentrieren sich auf lokale Probleme, was zwar gut ist, aber „sie denken nicht wirklich an spätere Skalierung“.

Doch Tushurashvili ist optimistisch:

„Ich glaube, es wird diesen Moment geben, wenn die Menschen erkennen, dass neue Start-ups aus Georgien kommen können.“

Finanzinfrastruktur

Der georgische Bankensektor wird von zwei großen Geschäftsbanken dominiert: TBC Bank und Bank of Georgia.

Beide bieten benutzerfreundliche Zahlungs-Apps an, die schnelle Überweisungen an andere Kunden ermöglichen und mit lokalen Versorgern, Technologieunternehmen und Verwaltungsdiensten integriert sind.

Es ist schwierig, in Tiflis ein Geschäft zu finden – selbst kleine Obst- und Gemüseläden oder Eckläden – das keine Kartenzahlung akzeptiert. Tushurashvili sagt:

„Georgien ist im Bereich Online-Banking ziemlich fortschrittlich. […] Ich trage kein Bargeld bei mir. Klar, ich habe vielleicht 20 Lari in der Tasche. Das war’s. Nur für den Fall. Nur weil mir jemand das gegeben hat.“

Diese einfache Nutzung und der Komfort bestehender Zahlungstechnologien stellen eine hohe Hürde für Kryptowährungen dar.

Das erschwert auch das Verständnis für die Beweggründe der Regierung, eine digitale Lari-Währung einzuführen, deren Gestaltung derzeit untersucht wird, meint Tushurashvili.

„Also, die Idee eines ‚Krypto-Lari‘ – ich verstehe nicht ganz, warum wir das brauchen. Was soll sich verbessern? Ich verstehe nicht, was sich verbessern soll.“

Neben rein online lizenzierten Börsen wie Bitnet oder Cryptal gibt es in der Stadt zahlreiche „Krypto-Börsen“ (im Wesentlichen Geldwechsler mit einem Binance-Konto), bei denen Menschen Kryptowährungen kaufen oder in Dollar oder Lari auszahlen lassen können.

Diese improvisierten Krypto-/Geldwechsler waren bis letztes Jahr weitgehend unreguliert, als sie mit ordentlichen Know Your Customer [KYC = Verfahren zur Identifikation von Kunden bei Finanzdienstleistungen] Maßnahmen beginnen und neue Vorschriften der georgischen Nationalbank einhalten mussten.

Für viele Bewohner der Stadt aus Russland und der Ukraine haben diese kleinen „Börsen“ es ermöglicht, ihr Erspartes aus ihren Heimatländern zu transferieren – Länder, in denen seit Beginn des Krieges 2022 Sanktionen und starke Kapitalverkehrskontrollen gelten.

Ein Krypto-Verkaufsautomat (Aaron Wood)

Auch Kryptowährungsautomaten sind in Tiflis recht verbreitet, zumindest im Stadtzentrum. Die Automaten erlauben es den Nutzern nicht, Krypto in Lari oder Dollar auszuzahlen, unterstützen jedoch in der Regel den Kauf wichtiger Kryptowährungen wie Bitcoin, Ether und Litecoin sowie einiger Stablecoins.

Wo kann ich mit Krypto bezahlen?

Kryptowährungszahlungen in Tiflis werden dank der Verbreitung von Zahlungssystemen, die in Kassenterminals integriert sind oder einfache QR-Code-Scans ermöglichen, immer üblicher.

Zahlungsdienste wie Binance Pay und CityPay ermöglichen es zahlreichen Unternehmen, Krypto zu akzeptieren.

Tushurashvili sagt:

„Ich denke, sie haben über 200 Unternehmen oder so [die Krypto akzeptieren]. Sie haben ihr Kassensystem. Man kann direkt überweisen. Es ist super einfach. Funktioniert super schnell. Wenn du zum Beispiel ins Radisson gehst, könntest du dein Hotel oder Mittagessen mit Krypto bezahlen.“

Viele der Unternehmen, die Krypto akzeptieren, sind kleine Betriebe: Cafés, Buchläden, Bars und gelegentlich ein Restaurant.

Das Krab Coffee and Bar im bohemienhaften Viertel Vera in Tiflis akzeptiert seit Kurzem Kryptowährungen.

Die Inhaberinnen Kristina und Barbie (KRistina und BARbie = Krab) erzählten dem Magazin bei einer Tasse Kaffee, dass die Entscheidung, Krypto-Zahlungen zu akzeptieren, eine praktische war.

Krab Bar in Tiflis (Aaron Wood)

Zum einen kann das Bezahlen mit Krypto für Kunden günstiger sein, da keine Umrechnungsgebühren und Reisegebühren anfallen. Barbie sagt:

„Es ist günstiger für dich, hier mit Krypto zu zahlen, weil du vielleicht aus Europa, Asien usw. kommst. Du kommst nicht aus Georgien, und deine Karte erhebt hohe Gebühren.“

Zudem erleichtert es russischen Touristen die Bezahlung – einer großen Zielgruppe in Georgiens tourismusorientierter Wirtschaft. Seit Beginn des Krieges mit der Ukraine verhindern Sanktionen, dass russische Karten außerhalb der Landesgrenzen funktionieren, weshalb russische Touristen entweder große Bargeldbeträge mitbringen oder Krypto nutzen müssen.

Kristina sagt, dass Krypto-Zahlungen diese unbequeme Situation entschärfen können. Touristen, die mit Krypto reisen, müssen zwar dennoch „USDT in georgisches Geld wechseln. Beim ersten Besuch in Georgien weißt du nicht, wo du das tauschen kannst.“ Aber mit einer Krypto-Zahlungsoption: „Du scannst [den QR-Code], das war’s.“

Krab Coffee and Bar hält keine Krypto – das Zahlungssystem wandelt den Betrag sofort in Lari um. Die Inhaberinnen sagen: „Es ist einfach angenehmer für die Leute.“

Neue Krypto-Lokale in Tiflis

Auch neuartige Krypto-Lokale sind in der Stadt aufgetaucht.

Im Stadtteil Marjanishvili, gegenüber einem großen Hostel/Bar/Restaurant-Komplex namens Fabrika (das Gebäude war früher eine Textilfabrik), eröffnete ein lokaler Unternehmer die Crypto Bar. Ihr Alleinstellungsmerkmal war, dass man sein Bier mit Krypto bezahlen konnte.

Die ersten zwei- oder dreimal mit Krypto zu bezahlen, kann interessant sein, aber danach ist man letztlich nur in einer schäbigen Kneipe mit überteuertem tschechischen Lagerbier, das Gäste aus dem nahe gelegenen Hostel anzieht, die Krypto mitbringen.

Die Crypto Bar schloss nur wenige Monate nach ihrer Eröffnung.

Ein weiteres krypto-zentriertes Lokal war das Crypto Cafe Georgia, ein Café im Stadtteil Saburtalo, das mit Symbolen wie dem Bitcoin-„B“ und dem Ethereum-Diamanten an den Wänden geschmückt war. Auch dieses Café wurde inzwischen geschlossen.

Quelle: Cointelegraph

Artikelempfehlungen:

  • Bhutan: Krypto-Offensive im Tourismus gestartet
    Bhutan startet mit Binance Pay und der DK Bank eine Krypto-Offensive im Tourismus. Sie ermöglicht Besuchern Zahlungen mit über 100 digitalen Währungen.
    Das Projekt soll auch abgelegene Regionen wirtschaftlich einbinden und den bargeldlosen Zugang zum Land erleichtern.
  • Von der Nische zur Macht: Wie Stablecoins den Finanzmarkt umkrempeln
    Während Banken mit regulatorischen Hürden kämpfen, wachsen Stablecoins rasant und werden bereits für Ölgeschäfte und internationale Zahlungen genutzt. Ihr Potenzial reicht weit über bloße Fiat-Abbilder hinaus.

Telegram Logo „Bye Bye Staat & Hallo Freiheit“
Abonniere jetzt LegitimCrypto auf Telegram!

Legitim-Newsletter

 

Abonniere den Newsletter,


um die wichtigsten Updates per E-Mail zu erhalten!

Du hast dich erfolgreich angemeldet - danke!